22.07.2018

Wie geil war das denn!

Dreizehn Jahre ist es mittlerweile her, dass ich an einem Trailrun in den Dolomiten über 21 Kilometer teilnahm. Das Laufen auf schmalen Wander- und Bergwegen inmitten einer einzigartigen Alpenregion ist mir als anspruchsvolle sportliche Herausforderung bleibend in Erinnerung geblieben. Und da mir das meist eintönige Laufen auf Asphalt und ländlichen Wirtschaftswegen zuletzt zu langweilig wurde, schloss ich mich zum Jahreswechsel einer Trailrunning-Gruppe im Taunus an. Das Lauffeuer wurde neu entfacht und nach wenigen Wochen schmiedete ich bereits erste Pläne für einen passenden trailigen Saisoneinstieg.

Im Internet wurde ich auf die Premiere der adidas INFINITE TRAILS World Championships im Gasteinertal aufmerksam. Das interessante Rennformat – bestehend aus einem Team-Prolog über 19 Kilometer sowie einem Staffelrennen über insgesamt 124 Kilometer – bot auch Einsteigern die Möglichkeit, nur den Prolog, die Vertical Open, zu bestreiten. Und da die Teilnahme in einem Dreierteam für mich in diesem Jahr definitiv verfrüht und somit nicht infrage kam, meldete ich mich auf der übersichtlich gestalteten und informativen Homepage des Veranstalters für die Vertical Open an. Rückfragen wurden prompt beantwortet, sodass einem verlängerten Wochenende in der Region SalzburgerLand nichts mehr im Wege stand.

Wer lesen kann, hat Vorteile

Wenige Tage bevor ich mich auf die Reise nach Bad Hofgastein machte, studierte ich noch einmal die Ausschreibung. Zum Glück, denn dort erfuhr ich, dass ich nicht nur ausreichend Getränke, sondern auch ein Erste Hilfe Set, warme Sachen, GPS-Gerät, Stirnlampe und eine Trillerpfeife mit mir führen musste. Meine Vorfreude trübte sich ein wenig, denn jetzt musste ich doch noch einen Outdoor-Laden aufsuchen, um fehlende Gegenstände einzukaufen. Etwas schmunzeln musste ich über die Stirnlampe, schließlich hatte ich nicht vor, für den 19 Kilometer langen Prolog – der Startschuss erfolgte um 17 Uhr – weit über vier Stunden zu benötigen. Aber die Sicherheit der Athleten geht einfach vor. Interessanterweise erfuhr ich bei diversen Gesprächen mit meinen Mitstreitern im Startbereich und auf der Strecke, dass es nicht nur mir so ging. Einige plünderten sogar das Notfallset ihres Autos, um ihren Start nicht zu gefährden.

Infotainment

Bereits am Eingang des Gasteiner Tals wies ein überdimensionaler Werbebanner auf die bevorstehenden World Championships hin. In den Hotels lagen Spectator Guides vom Laufereignis des Jahres aus. Ähnlich wie im Internet, wurden auch hier sämtliche Informationen für interessierte Zuschauer übersichtlich aufgeführt: Renn- und Rahmenprogramm sowie alle Strecken inklusive dazugehöriger Höhendiagramme. In Bad Hofgastein – Dreh- und Angelpunkt der adidas INFINITE TRAILS World Championships – konnten sich die Sportler gar nicht verlaufen. An den wichtigsten „Kreuzungen“ des autofreien und übersichtlichen Innenstadtbereichs wiesen verständliche Piktogramme die Athleten zu den für sie wichtigsten Anlaufstellen, wie beispielsweise zur Registration in der Tourist Information. Im Gegensatz zu Triathlon-Wettkämpfen war das Vorlegen einer Identifikation oder Lizenz nicht notwendig. Und für diejenigen, die die Medical und Liability Form nicht dabeihatten – so wie ich – lagen genügend Formulare und Stifte zum Ausfüllen bereit. Im Starterbeutel, der beim Wettkampf auch für den Transport der Ersatzklamotten genutzt wurde, befanden sich Laufship, Startnummer und diverse Beigaben der Sponsoren. Eine kleine, aber feine auf Trailrunner zugeschnittene Laufmesse rundete eine reibungslose Organisation in angenehmer Atmosphäre ab.

Wie gechillt ist das denn?

16 Uhr. Noch eine Stunde bis zum Start. Die rund 300 Teilnehmer ließen es bei der Abgabe des Zielbeutels und die freundlich, aber bestimmte Überprüfung der vorgeschriebenen Gegenstände langsam und entspannt angehen. Von Hektik keine Spur. Glücklicherweise hatte der Veranstalter genügend Trillerpfeifen bereit liegen, denn ich war nicht der Einzige, der keine dabeihatte. Dass das Race Briefing kurzerhand um 30 Minuten nach hinten verschoben wurde, störte niemanden, auch die „Aussicht“, dass aufgrund der sehr ungemütlichen Witterungsbedingungen im oberen Viertel der Laufstrecke das Rennen aus Sicherheitsgründen um rund 3,5 Kilometer verkürzt werden könnte. Die Trailrunner machten es sich im Startbereich auf dem mit Teppich ausgelegten Boden bequem und genossen die wärmende Sonne, die immer wieder hinter den Wolken hervorkam. Die Zeit bis 17 Uhr verging wie im Fluge. Im Gegensatz zum Triathlon scharrte niemand ungeduldig mit den Hufen oder beklagte sich über das Wetter beziehungsweise eine suboptimale Vorbereitung. Im Gegenteil, man kam sehr schnell ins Gespräch, es wurden Anekdoten erzählt und viel gelacht. Um mich herum sah ich nur in glückliche und gechillte Gesichter.Von Nervosität keine Spur … lediglich der plötzliche Startschuss unterbrach die Gespräche für ein paar Momente.

3, 2, 1 – Rock’n‘Roll

Endlich, es geht los. Es galt eine Distanz von 19,2 Kilometern mit einem Höhenunterschied von rund 1.500 Metern zwischen der Alpen Arena von Bad Hofgastein und dem geplanten Zielgelände auf dem 2.246 Meter hoch gelegenen Stubnerkogel zu bewältigen. Während die Top-Athleten bereits im Ortskern aus meinem Blickfeld enteilten, fand ich auf den ersten flachen Kilometern entlang der Gasteiner Ache meinen Rhythmus. Auf Schotterboden führte die mit Hinweisschildern gut ausgewiesene Strecke mit einem läuferfreundlichen Rückenwind in Richtung Bad Gastein. An Kreuzungen sicherten Helfer die Strecke zusätzlich ab. Nicht nur zahlreiche Zuschauer feuerten uns an, auch die Tierwelt ließ sich zum Mitmachen animieren. Auf einer Pferdekoppel nahmen zwei Hengste den für uns Läufer ungleichen Wettkampf auf. Die Beiden demonstrierten nicht nur pure Lebensfreude, sondern auch eine gekonnte Kombination aus Tempo, Ausdauer und Kraft. Letztere wurde in Waden und Oberschenkeln gefordert, als sich das mittlerweile weit auseinandergezogene Feld dem Ort Bad Gastein näherte. Die ersten Anstiege und Treppen in Richtung „Hotspot Wasserfall“ ließen nur ansatzweise erahnen, was mir bis zum Ziel noch bevorstand.

Step by step

Nach einer erneut etwas flacheren Passage – für die ersten zehn Kilometer benötigte ich eine Stunde – war spätestens an der zweiten Verpflegungsstelle – die Athleten entsorgten Pappbecher oder Restmüll nach Materialien bereitgestellte Abfallbehälter – in Böckstein Schluss mit lustig, denn von da an führte die Strecke über Stock und Stein ziemlich steil bergauf. Laufen? Fehlanzeige! Keine Chance – für mich und gefühlt jeden meiner um mich herumlaufenden Mitstreiter jedenfalls. Aus einem schnellen Laufen wurde von jetzt auf gleich ein schnelles Gehen. Der Kilometerschnitt stieg von etwas über fünf Minuten rapide auf das Doppelte und darüber hinaus. Lediglich die Damen der deutschen Nordischen Ski-Nationalmannschaft, die die Vertical Open als Abschluss ihres Trainingslagers absolvierten, überholten mich noch laufend. Je weiter ich mich in Richtung Mittelstation der Stubnerkogel Bergbahn „hochschraubte“, desto schöner wurden die Ausblicke auf das Tal. Dass es mit jedem erklommenen Höhenmeter auch deutlich kühler wurde, fiel mir erst auf, als die Laufstrecke über baumfreie Almen führte und ein sehr frischer Wind auf meine durchnässten Shirts und nackten Beine wehte.

Gedanklich spielte ich schon den Gedanken durch, dass ich spätestens an der Mittelstation meine warmen Sachen anziehen muss, um auf den letzten Kilometern nicht auszukühlen. Aber das war nicht mehr notwendig, denn das Ziel wurde auf die Mittelstation vorgezogen. Eine weise Entscheidung des Renndirektors. Auch wenn alle Teilnehmer lange Hosen, Windbreaker und Mützen mit sich führten, wären die letzten Kilometer oberhalb der Baumgrenze bei Temperaturen von knapp über Null Grad und Windböen von bis zu 50 km/h definitiv kein Spaß gewesen, ganz abgesehen von dem erhöhten Erkältungsrisiko für die Teams. Die Teilnehmer nahmen diese Entscheidung ohne Murren und mit Zustimmung auf. Mit den Gondeln der Bergbahn fuhr ich dann auf den Gipfel des Stubnerkogel, nahm meine Ersatzklamotten in Empfang und erfreute mich an der leckeren Gulaschsuppe und den Spaghetti.

Fazit

Mit meinem Resultat von 2:18:25 Stunden für „handgestoppte“ 1.127 Höhenmeter und einer Strecke von 16,4 Kilometer bin ich zufrieden, habe aber gelernt, dass ich im Rahmen meiner Trail-Running „Karriere“ zwei Dinge definitiv ändern werde:

  1. Auch das Laufen mit einem voll bepackten Laufrucksack muss geübt werden. Es reicht nicht aus, im Training nur eine volle Trinkblase oder integrierte Wasserflaschen mitzuführen. Das zusätzliche Gewicht für warme Klamotten und das Erste Hilfe Set beansprucht Muskeln im Rücken- und Schulterbereich, die ich bislang so noch nicht kannte.
  2. Laufstöcke sind gerade bei den steileren Beraufpassagen eine große Hilfe. Ich bin mir sicher, dass die „Gehhilen“ nicht nur dazu beitragen, schneller zu sein, sie entlasten bei einem richtigen Einsatz auch die Muskulatur. Meine Waden und Oberschenkeln hätten es mir sicherlich gedankt. Die Profis der Nordischen Ski Nationalmannschaft bewiesen dies eindrucksvoll.

Ich komme wieder, keine Frage! 2019 möchte ich – bei besseren Witterungsverhältnissen auf dem Stubnerkogel – das Alpenpanorama bis zum Gipfel genießen und den Tag auf 2.246 Meter über Normal Null gechillt ausklingen lassen.

Zu guter Letzt

Die Trail-Running Szene ist „anders“. Das Miteinander und das gemeinsame Lauferlebnis in der Natur und der klaren Luft steht im Vordergrund. Natürlich geht es auch um Platzierungen und bei den Profis auch um Preisgelder, ich persönlich habe jedoch das Gefühl, dass der Umgang miteinander sehr ehrlich und fair ist. Da wird im Vorfeld nicht gejammert, dass man schlecht geschlafen oder nicht hat ausreichend trainieren können. Im Wettkampf selbst wird aufeinander Acht gegeben. Als beispielsweise einem Läufer die Verpflegung aus dem Laufrucksack fiel, gab es sofort einen „Aufschrei“ und zahlreiche Hände halfen dabei, die auf dem Boden verstreuten Gels aufzuheben. Auf den schmalen Wegen in den steilen Bergaufpassagen reichte man sich gegenseitig die Hände, zog und schob, langsamere Läufer ließen die Schnelleren vor und gingen an der nächstmöglichen Stelle einen Schritt zur Seite. Ellenbogenverhalten? Fehlanzeige!

 

Klaus Arendt
Chefredakteur tritime Magazin